Das neue Kompetenzzentrum im Thüringer Zentrum für Maschinenbau „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau“ der Technischen Universität unterstützt kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung von Arbeitsprozessen und bei der Produktion bis hin zum Endprodukt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bewilligte das 4,7-Millionen-Euro-Projekt, das durch die TU Ilmenau im Thüringer Zentrum für Maschinenbau angeführt wird.
Kleine und mittlere Unternehmen sind neuen Industrie 4.0-Technologien gegenüber nach wie vor zurückhaltend, abstrakte Schlagworte wie Cloud Computing und Big Data schrecken sie oft ab. Häufig befürchten sie auch, nicht das nötige Knowhow oder das Geld zu haben, um ihre Firma digital wettbewerbsfähig zu machen. Prof. Jean Pierre Bergmann, der das Kompetenzzentrum an der TU Ilmenau leitet, will den Unternehmen die Berührungsängste vor Industrie 4.0 nehmen: „Es gibt praxisorientierte Technologien, die gerade kleinen und mittleren Unternehmen großen Nutzen bringen und doch nicht viel kosten und für jedermann verständlich sind.“ Alle Angebote des Kompetenzzentrums sind für Unternehmen kostenlos und werden künftig auf einer zentralen Webseite dargestellt.
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau möchte Industrie 4.0 und die Digitalisierung in der Produktion für kleine und mittlere Unternehmen anschaulich und greifbar machen. Die Mitarbeiter des Zentrums, Wissenschaftler und auch Praktiker, werden Unternehmen in Informationsveranstaltungen und Werkstattgesprächen helfen, ihren Betrieb im Zeitalter der Digitalisierung mit Industrie 4.0-Technologien praxisorientiert neu aufzustellen. Kleine und mittlere Unternehmen sollen miteinander vernetzt werden. Dazu werden vorbildliche digitale Produktionslösungen, die sich in einem Unternehmen bewährt haben, in Fabriken oder in eigens errichteten Modellfabriken in der Region, sogenannten Fabs, als Best-Practice-Beispiele umgesetzt. Die fünf Fabs, Kernstücke des Kompetenzzentrums, informieren Unternehmen zu unterschiedlichen Themen verschiedener Branchen und stellen Lösungsansätze und deren Erprobung vor.
- Die Fab „Vernetzung von Maschinen und Produktionsprozessen“ präsentiert auch unter Einsatz von Virtual Reality-Technik verschiedene Herstellungsmöglichkeiten und die Vernetzung von Prozessen und Maschinen. Dabei werden die spezifischen technologischen Merkmale der interessierten Unternehmen berücksichtigt.
- Die Fab „3D-Druck und Individualisierte Produktion“ erklärt Unternehmen die Nutzung sogenannter additiver Fertigungstechnologien, zum Beispiel Verfahren zur Erstellung, Bearbeitung und zum Austausch von 3D-Druck-Dateien und Technologien zur Nachbearbeitung von Bauteilen. Gezeigt werden auch roboter- und lasergestützte Fertigungstechnologien zur Individualisierung der Produktion.
- Die Fab „Migration“ präsentiert Lösungen zur Weiterentwicklung von Systemen und Anlagen, die in Unternehmen bereits eingesetzt werden, durch die Integration von Industrie 4.0-Komponenten. Erweiterungen sind zum Beispiel möglich durch intelligente Systeme, sensornahe Datenverarbeitung, echtzeitfähige Kommunikation oder Cloud-Anbindungen. Unternehmen werden hier auch dabei unterstützt, bestehende Dienste wie die interne und externe Kommunikation zu digitalisieren.
- Die Fab „Prozessdatengenerierung und -transfer“ unterstützt Unternehmen unter anderem bei der Echtzeiterfassung und -verarbeitung von Daten, beim Austausch von Daten von Unternehmen zu Unternehmen, bei der automatischen Prozess- und Qualitätskontrolle und sie bietet Hilfe an bei der Mensch-Maschine-Interaktion.
- Die Fab „Produktionssteuerung und Leitsysteme“ demonstriert die Individualisierung von Produkten, 3D-Scan, den Einsatz mobiler Endgeräte, die Qualitätsüberwachung in Fertigungszellen, also in miteinander verbundenen Produktionssystemen, und Plug-and-produce-fähige Maschinen. Die Plug & Produce-Fähigkeit von Komponenten ist eine der Visionen von Industrie 4.0, wonach sich angeschlossene Geräte direkt bei einem Hauptrechner anmelden, mit diesem interagieren und so Vorgänge eigenständig ausführen können.
Jede der Fabs wird von einem der fünf Partner des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Ilmenau geführt. An dem Kompetenzzentrum sind neben der TU Ilmenau, die es wissenschaftlich anführt, vier Technologieexperten beteiligt: das Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme in Ilmenau, die Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung in Schmalkalden, die Ernst-Abbe-Hochschule in Jena und die Firma Förderverein für Anwendung und Bildung auf dem Gebiet Industrie 4.0 in Sondershausen. Entsprechend der wirtschaftlichen Ausrichtung der Unternehmen in der Region fokussiert sich das Kompetenzzentrum auf die technologieorientierten Wachstumsfelder Automobil, Life Sciences, Energie und Energiespeicherung, Maschinenbau, Kunststoffe und Keramik, Mikro- und Nanotechnik, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik und Optik/Optoelektronik.
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau will ein großes regionales Netzwerk nicht nur mit den Technologiepartnern, sondern auch mit lokalen und regionalen Einrichtungen, Initiativen und Verbänden wie den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern aufbauen. Prof. Bergmann ist sich sicher, dass so eine schlagkräftige Kombination aus technologischer Expertise und Erfahrung im Transfer entstehen wird: „Die Digitalisierung verbessert die Vernetzung der vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die es in Thüringen gibt, untereinander und auch zwischen ihnen und Transferexperten. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe auf dem Markt nachhaltig steigern und ihnen neue Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung eröffnen.“
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“. In der Förderinitiative werden bundesweit Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren, ein Kompetenzzentrum „Digitales Handwerk“ und vier Mittelstand 4.0-Agenturen im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Der Förderschwerpunkt unterstützt Unternehmen beim intelligenten Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und stärkt damit ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Bei der Vorstellung Ilmenaus als Standort des Kompetenzzentrums sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel: „Um die Voraussetzungen für Deutschlands Führungsposition in einer neuen technologischen Ära zu schaffen, muss auch unser Mittelstand fit für die Digitalisierung gemacht werden. Denn unsere Wirtschaft soll auch die Produkte von morgen so erfolgreich herstellen, wie sie dies heute tut.“
Foto: Kompetenzzentrum / © Thüringer Aufbaubank/Andreas Beetz